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Der Auszug  aus dem Paradies (zu 1. Mose 3)

Zu der Zeit als der Mensch Mensch wurde, war er ein Teil der Natur – verbunden und verwoben mit Allem was lebt. Er lebte auf dieser Erde, wie im Schoß der Mutter. Er fühlte sich als Teil des Ganzen, aber er wusste es nicht. Der Mensch lebte im Paradies.

Und die göttliche Wirklichkeit sah den Menschen und hauchte Frau und Mann seinen Atem, seinen Geist, also Bewusstsein ein und hoffte, dass der Mensch sich zu seinem Gegenüber und zu seinem Ebenbild entwickelt.

Der Mensch sah den Baum der Erkenntnis mit seinen vielen Früchten. Und er aß von dem Baum. Mit dem ersten Bissen erkannte der Mensch, stückweise. Schritt für Schritt und Frucht um Frucht erkannte der Mensch sich selbst, Gott, die anderen Menschen und die Schöpfung, in der erlebte. Mit dem Erkennen aber verließ ihn die alte vertraute Verbundenheit.

Er verließ den Garten Eden -das Paradies- wie es später genannt wurde, mit jeder Erkenntnis mehr.

Er löste die große Symbiose mit dem Mütterlichem, dem Versorgenden, dem Nährenden. Der Mensch erkannte auch das Gute und das Böse, er konnte unterscheiden. Das Paradies war nun unwiderruflich zu Ende. Er war ausgezogen aus der alten Einheit und erlangte Bewusstheit und Bewusstsein.

Und Gott, der Urgrund alles Lebendigen, freute sich – sein Atemhauch – hatte dieses Bewusstsein geschenkt. So konnte der Mensch die Verantwortung für alles Lebendige übernehmen, es war dem Menschen anvertraut.

Der Mensch dachte, entdeckte, gestaltete und entwickelte. Dies fing klein an und wurde größer und größer.

Trotzdem hatte der Mensch eine tiefe Sehnsucht nach dem Vergangenen, nach der alten  Einheit, und dies bis heute.

Deshalb stellte Gott einen Engel vor das Paradies. Der Engel sollte den Menschen hinweisen, Weisung geben. Die Weisung lautete: Suche die Einheit mit dir selbst, mit Gott und der Schöpfung nicht rückwärtsgewandt, sondern sie liegt  vor dir und in dir. Es gilt sie stets neu mit Bewusstheit und Bewusstsein, mit Geist und Mut zu entdecken und zu gestalten.

Anmerkungen zu der Geschichte

Die Geschichte vom Auszug aus dem Paradies beschäftigt mich seit langer Zeit. Ich halte sie für eine Geschichte, die mit einem anderen Akzent erzählt werden muss. Sie drückt die große Sehnsucht nach dem vergangenen Paradies aus und sie gibt Gott die Verantwortung – (wie so oft in der biblischen Tradition) für diesen Auszug.

Das Verweilen im Paradies drückt einen Zustand der Non-Dualität aus, der für die Menschheit vergangen ist. Für den einzelnen Menschen gibt es die Erfahrung noch in der frühsten Phase seiner Kindheit. Die Verbundenheit und Verwobenheit mit den Eltern, besonders mit der Mutter, lässt von der „Rückkehr in den Mutterschoߓ träumen. Scheinbar gibt es dort noch keine Dualität. Aber sowohl für die Entwicklung der Menschheit, als auch für die Entwicklung jedes einzelnen Menschen ist Dualität notwendig. Davon erzählt meines Erachtens die Geschichte vom Auszug aus dem Paradies, es ist ein notwendiger Auszug. Manche Menschen empfinden dies bis heute als eine Vertreibung aus der Einheit.

Diese alte Einheit ist aber symbiotisch und ohne jegliche eigene Identität. Zur Menschwerdung gehört das Finden der eigenen Identität und meines Erachtens warnt der Engel davor, sich in die alte symbiotische Einheit zurück zu begeben. Es ist aber notwendig diese Dualität wahrzunehmen und mit ihr und in ihr zu leben. Die Sehnsucht nach Non-Dualität lässt sich also nicht im Rückwärtigen, im Vergangenen finden, sondern sie ist mit Bewusstheit und mit Bewusstsein möglich.

Dabei verweilen wir nicht  „ewig“in dieser Non-Dualität, sondern erleben sie im Augenblick - in einem jetzigen gegenwärtigen Moment. Der Mensch braucht somit die Erfahrung der Dualität und damit die Möglichkeit des Erkennens und Unterscheidens, um sich zu entwickeln und sich zu verantworten, damit der Mensch Verantwortung in dieser Welt übernehmen kann. Die Erfahrung der Non-Dualität wird ihm in diesem Prozess geschenkt, damit der Mensch diese Erfahrung diese Erfahrung und die Verbundenheit mit Allen und dem Ursprung bewusst wahrnehmen und integrieren kann.

Und dann findet er zur neuen und tiefen Einheit mit Gott, mit der Schöpfung, mit sich selbst.

Dies will der Kontemplationsweg des Herzensgebetes fördern.

Rüdiger Maschwitz Juni/Juli 2015